Nordisland im Winter
Ein Hauch von Arktis, mächtige Krater und blubbernde Schlammtöpfe: So vielseitig ist eine Winterreise von der Mondlandschaft des Mývatn-Sees bis zu den Fischerdörfern an der Nordküste der Vulkaninsel.

Aline Vocat
Product Managerin Island, Färöer Inseln und GrönlandAline Vocat, Product Managerin Island, war schon unzählige Male auf «ihrer» Insel unterwegs – zu allen Jahreszeiten. Auch im Winter fasziniert das mystische Land aus Feuer und Eis immer wieder aufs Neue. In ihrem Reisetagebuch erzählt sie von ihrer ereignisreichen Woche.
Velkomin til Íslands!
Nach dem Direktfug begrüssen die Kontiki-Gästebetreuer:innen meinen Freund und mich gemeinsam mit den anderen Gästen des Fluges im nordisländischen Akureyri und laden zum Willkommens-Treffen. Hier werden die ersten Ratschläge und Insider Tipps geteilt: Wo entdeckt man am besten Nordlichter? Wie kommt man mit Einheimischen ins Gespräch, wo gibt’s den leckersten Kuchen?
Dann fahren wir mit dem Mietwagen los – die erste Sehenswürdigkeit kommt bereits nach einer guten halben Stunde und schon stehen wir vor dem Wasserfall der Götter, dem Goðafoss. Ob im tanzenden Schneegestöber, gebadet in goldenes Sonnenlicht oder in der stillen Polarnacht – dieser Wasserfall zieht mit seiner Kraft und Energie alle Blicke auf sich. Kurze Zeit später erreichen wir die Region Mývatn, wo wir die nächsten Tage verbringen.
Nichts für Langschläfer
Der erste Ausflug beginnt früh: Um 07:45 Uhr holt uns Anton Freyr Birgisson mit einem breiten Lächeln und einer Tasse Kaffee in der Hand ab. Mit dem Super Jeep fahren wir zum Fuss des Explosionskraters Hverfjall. Unser Ziel: den Kraterrand erreichen, bevor die ersten Sonnenstrahlen die Landschaft in ein warmes Licht tauchen. Noch bleibt Zeit, um die Spikes – mit einem Lacher erst einmal falsch herum – anzulegen, bevor wir den Aufstieg beginnen. Nach 20 Minuten stehen wir oben, die Kälte prickelt auf der Haut, während Anton uns mit Geschichten über seine Heimat fesselt. Und dann ist es so weit: Die Sonne steigt über den Rand und der Tag beginnt – ein Moment, in dem die Zeit kurz stillsteht.
Nach der Tour begeben wir uns auf einen Spaziergang durch die Lavaformationen von Dimmuborgir und stärken uns im Vogafjós Farm Restaurant. Hier werden selbstgemachtem Mozzarella, im warmen Erdboden gebackenes Geysir-Brot und andere lokale Spezialitäten angeboten. Nächster Treffpunkt, neues Abenteuer: Wir begeben uns auf Schneemobiltour. Da es rund um den Mývatn gerade etwas weniger Schnee als sonst liegt, hat Anton die Schneemobile kurzerhand zum höhergelegenen Vulkangebiet Theistareykir gebracht. So düsen wir durch die weite Mondlandschaft und fühlen uns wie Helden in einem James Bond Film!
Super Jeep-Action und Tiefenentspannung
Heute werden wir von Birkir und Júlli in Empfang genommen. Der Ausflug zum mächtigen Wasserfall Dettifoss beginnt mit einer Fahrt auf der Ringstrasse in Richtung Osten. Nach einer halben Stunde biegen wir auf eine Nebenstrasse ab: Jetzt ist uns klar, wieso wir mit einem Super Jeep unterwegs sind: Die Strasse ist nicht geräumt und mit einem Mietwagen nicht passierbar. Auf dem zugeschneiten Parkplatz werden wir mit Schneeschuhen ausgestattet. Im Gänsemarsch geht’s los – die schwerste Arbeit hat Birkir, der durch den tiefen Schnee vorausstapft – seinem breiten Grinsen nachzuschliessen hat er aber seinen Spass dabei. Am Aussichtspunkt bestaunen wir den imposanten Dettifoss, der auch im Winter eine beachtliche Wassermenge über die Kante befördert. Auf dem Rückweg zur Ringstrasse gibt es noch einmal Action. Zwei Touristen haben es doch tatsächlich mit dem Mietwagen versucht und stecken fest. Júlli und Birkir steigen aus, besprechen sich kurz und verfrachten uns kurzerhand alle in einen Super Jeep. Mit dem anderen wird der Mietwagen aus dem Schnee gezogen.
Zurück am Mývatn fahren wir spontan ins Nature Bath. Nach einem Tag draussen lockt das wohlig warme Wasser der Lagune: Entspannt liegen wir im Wasser, lassen den Tag in Gedanken nochmals Revue passieren, bevor wir uns auf ein feines Abendessen freuen.
Heisse Luft und Husky-Erlebnis
Erstes Ziel heute: das Geothermalgebiet Hverir. Von weitem sehen wir schon die Dampfschwaden aus dem Boden in die Höhe steigen. Er ist so warm, dass kein Schnee liegenbleibt. Dafür ist alles matschig – gut, haben wir unsere Wanderschuhe dabei. Schon bald riechen wir den Schwefel und hören das Zischen und Blubbern der Schlammtöpfe und Fumarolen – das sind kleine Öffnungen im Boden, aus denen die Dämpfe austreten. Angenehmer riecht es auf der Halbinsel Höfði. Gemütlich spazieren wir durch ein kleines Birkenwäldchen. Von verschiedenen Aussichtspunkten hat man eine schöne Sicht auf die Lavasäulen im See. Einen weiteren Stopp legen wir bei den Pseudokratern am Südufer des Mývatn ein. Auf einem Rundweg bestaunen wir einmal mehr die unwirkliche Mondlandschaft Nordislands.
Nach dem Mittagessen erwarten uns Sæmundur und Bergthóra mit ihren 29 sibirischen Huskies. Als erstes bekommen wir warme Overalls, die uns nicht nur vor der Kälte, sondern auch unsere Kleider vor den freudigen Hunden schützen. Die Tour beginnt nämlich mit einer Vorstellungsrunde. Wir können mit ihnen knuddeln und Fotos machen, während wir lernen, was die Hunde ausmacht und welche Eigenschaften sie haben. Anschliessend geht es mit den Hundeschlitten durch die isländische Wildnis. Sæmundur & seine Crew sind die Musher, wir sind als Beifahrer unterwegs. Die Musher beeindrucken uns unterwegs mit ihrem Knowhow über die Region und die Landschaften.
Erkunden und geniessen
Nach drei erlebnisreichen Tagen in der eindrücklichen Natur rund um den Mývatn fahren wir zurück nach Akureyri, mit einem Zwischenstopp am Götterwasserfall. Nach dem Mittag nehmen wir am Stadtrundgang von Kontiki teil. Zu Fuss erkunden wir Akureyri und bekommen Tipps von unserem lokalen Guide Rúnar, dem Sohn von Júlli, der mit uns zum Dettifoss gefahren ist. Von ihm erfahren wir viel über die Geschichte von Akureyri und lernen unter anderem, weshalb die Ampeln in der Stadt bei Rot in Herzform leuchten.Zum Abschluss führt er uns in die Eyja Weinbar, wo wir zu einem kleinen Tasting eingeladen werden. Hier gefällt es uns so gut, dass wir direkt einen Tisch fürs Abendessen reservieren.
Da unser letztes Bad schon ganze zwei Tage her ist, machen wir uns aber vorher noch auf zur Forest Lagoon – noch einmal abschalten, entspannt im warmen Wasser liegen und die Ruhe der Natur um uns herum geniessen. Fun Fact: Das warme Wasser der Lagune wurde durch Zufall beim Bau eines Strassentunnels entdeckt.
Arktische Küste pur
Akureyri liegt am Ende des längsten Fjords von Island, dem Eyjafjörður. Entlang der arktischen Küste fahren wir nordwärts bis zum Fischerdorf Siglufjörður. Die Landschaft sieht ganz anders aus als am Mývatn: Steile, schneebedeckte Berge ragen direkt aus dem blauen Meer. Aussicht: atemberaubend! Wir halten an einem schwarzen Sandstrand, bei einem orangefarbenen Leuchtturm und einer kleinen Hängebrücke. Eine Stärkung gibt es unterwegs im kleinen Kaffi Klara.
Auf dem Rückweg erwartet uns noch ein Highlight in Hauganes: eine Walsafari mit dem ältesten Anbieter von Walbeobachtungstouren in Island. Mit dem alten Fischerboot geht es los. Tatsächlich sehen wir zwei Buckelwale. Aber auch, wenn man keine Tiere sieht, lohnt es sich: Wir bestaunen die tolle Aussicht über den Fjord und auf die «Toblerone-Berge» - ich nenne sie so, denn ihre Spitzen erinnern mich an jene auf der bekannten Schoggiverpackung.
City, Souvenirs und Tanz am Himmel
Am letzten Tag geniessen wir etwas Stadtleben: Nordislands Hauptstadt ist nicht gross, aber gemütlich und lädt zum Schlendern ein. Wir stöbern durch die Souvenirläden und können uns nicht entscheiden: ein selbstgestrickter Islandpulli oder doch isländisches Salz aus den Westfjorden als Mitbringsel für die Lieben daheim? Pause machen wir in einem meiner Lieblingscafés, im «Bláa Kannan», bei Kaffee und Kuchen beobachten wir das bunte Treiben drinnen und draussen und geniessen den köstlichen Cheesecake – ja, backen können die Isländer!
Später am Nachmittag: Abschieds-Apero im Jólahúsið (isländisch für Weihnachtshüsli) – hier geniesst man das ganze Jahr über Weihnachtsatmosphäre. Warme Schoggi und Marshmallows über dem Feuer sowie gute Gespräche über die vergangene Woche lassen die Zeit auch am letzten Tag schnell vergehen.
Der krönende Abschluss zeigt sich am abendlichen Himmel: Nordlichter! Egal, wie oft man sie schon gesehen hat, das Spektakel versprüht immer wieder Magie. Es fühlt sich fast an, als würde uns der Himmel am letzten Abend damit ein Zeichen geben, dass wir Island ja nicht vergessen sollen. Mit oder ohne Nordlichter – diese Woche hat mich wieder daran erinnert, wie vielseitig die Insel ist, dass sie mich immer wieder überrascht und dass ich mich bei jedem Abschied schon wieder auf das nächste Mal freue. Bless bless kæra Ísland – Auf Wiedersehen, geliebtes Island!