Military Tattoo

Keine Zeit fürs Tattoo!

Wo kommen eigentlich all die Dudelsäcke her, die am Royal Edinburgh Tattoo gespielt werden? Ein Werkstattbesuch beim angesehenen Hersteller Kilberry Bagpipes und dessen erstaunlichem Besitzer.

Stefan Doppmann

freier Journalist

Am Norden fasziniert den freien Journalisten Stefan Doppmann das Licht: Wie die Sonne im Zusammenspiel mit Wolken und Wasser zu jeder Jahreszeit immer neue zauberhafte Farben, Bilder und Stimmungen erzeugt.

Dudelsäcke sind Dougie Murrays Lebensinhalt. Er spielt sie, seit er geradeaus laufen kann. Vor zwölf Jahren übernahm er von seinem Bruder ein Unternehmen, das die Bestandteile für die Pfeifen der Dudelsäcke oder eben Bagpipes produziert und vertreibt. Als vor einem halben Jahr einer seiner Kunden, der langjährige Inhaber der Kilberry Bagpipes in Edinburgh, das Pensionsalter erreichte, übernahm er kurzerhand dessen Traditionsgeschäft. Nun stellt er ganze Dudelsäcke her. «Ich musste doch meinen Absatz sichern», erklärt er lachend.

Mit ihm stieg sein Schwager Kevin Baines ein. Dieser hatte davor seine Brötchen im Beschaffungswesen einer grossen Schule verdient. Nun lernt er bei Dave Wardell, einem langjährigen Mitarbeiter von Kilberry Bagpipes, das Handwerk von Grund auf. «Und es macht richtig Spass», befindet er. Die Pfeifen drechseln sie von Hand aus dem afrikanischen Grenadillholz. Für den Sack verwenden sie traditionellerweise Schafs- oder Ziegenhaut.

Nationalbewegung bringt Aufschwung

Das Geschäft boomt. Der Aufschwung der schottischen Nationalbewegung hat in den vergangenen Jahren die Leute zu den alten Werten und Traditionen zurückgeführt. Entsprechend nimmt das Ansehen der Dudelsackmusik stetig zu. «Zudem werden heute mehr und bessere Lehrer ausgebildet. Der Zugang zur Musik wurde damit vereinfacht», erläutert Dougie Murray. Die Stärke von Kilberry Bagpipes liegt in der Beratung. Jeder Spieler erhält ein massgeschneidertes Instrument, das seinen Fähigkeiten und seiner Erfahrung entspricht. Wie Dougie spielt auch Kevin das schottische Nationalinstrument von Kindsbeinen an. Beide wissen daher, worauf es ankommt. Deshalb werden sie auch von den Pipern am Royal Edinburgh Military Tattoo aufgesucht, wenn diese ein Ersatzteil oder eine kurzfristige Reparatur ihres Instruments benötigen. Schliesslich liegt ihr Geschäft an der St Mary’s Street, nahe der Royal Mile unweit des Castles.

«Es ist ein gutes Gefühl, Teil dieser Veranstaltung zu sein, wenn auch nur als Lieferant», findet Dougie. Ob er denn gerne auch einmal am Tattoo mitspielen würde? «Neeeeiiiin, auf keinen Fall. Das sind doch alles Profis», winkt er ab. Nun mischt sich Schwager Kevin ein und weist darauf hin, dass Dougie ein hochkarätiger Turnier-Piper sei. Wie sich herausstellt, ist Mr. Murray Leader von fünf Bands und hat sich mit einer von ihnen bei der Mannschaftsweltmeisterschaft in die besten zehn Ränge hineingeblasen. Also könnte er bei den Pipern des Edinburgh Tattoos wohl doch mithalten? «Vermutlich schon», gibt er schmunzelnd zu. Dank der an Wettbewerben geknüpften Beziehungen und des guten Namens seiner Unternehmen macht sich Dougie Murray keine Sorgen um die geschäftliche Zukunft. Er bedient weiterhin seine Kunden auf den Britischen Inseln, in den USA, in Kanada, in Neuseeland und in Australien. Um am Royal Edinburgh Military Tattoo mitzuspielen, fehlt ihm keinesfalls das Talent – sondern schlicht die Zeit!

 

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